Auf den Lehrgang mit Kyoshi Jamal Measara freuten wir uns schon seit längerem. Kyoshi Measara wurde von Sensei Werner Bachhuber unterstützt. Beide sind im Seibukan Shorin Ryu und Kobudo Jinbukan „beheimatet“.
Das Dojo wurde vor dem Lehrgang bereits hergerichtet: Im Eingangsbereich befand sich die Cafeteria mit warmen und kalten Speisen und Getränken. Die kleinere Halle wurde zur Mensa umfunktioniert und in der großen trainiert. Mit knapp 60 Teilnehmern jedweder Graduierung war die Halle gut gefüllt und jeder hatte noch ausreichend Platz, was vor allem für die Kobudo-Einheit zum Schluss von Vorteil war. Doch nicht nur Karateka des Shotokan nahmen teil, sondern zum Beispiel auch Karateka des Shitoryu und des Wado Ryu (der Lehrgang war ohne Stilbegrenzung ausgeschrieben). Dass Karateka der verschiedenen Stile interessiert waren, lag sicherlich auch daran, dass diese Stile auf das Shorin Ryu Karate zurückzuführen sind.
Der Lehrgang begann mit der gemeinsamen Begrüßung und „onegai shimasu“, was auf eine höfliche Art gegenseitigen Respekt und Dank dem Gegenüber auch für das gegenseitige voneinander Lernen ausspricht.
Direkt darauf überreichte Michael Gerdes-Röben eine Flasche Wein und die Oldenburgische Spezialität „Oldenburger Torfsoden“ (Gebäck) an die aus dem Süden Deutschlands angereisten Measara-Kyoshi und Bachhuber-Sensei.

Bachhuber Sensei begann mit einem sehr strukturierten Aufwärmtraining. Die einzelnen Übungen wurden jeweils beim Namen genannt, kurz gezeigt und von allen ausgeführt. Entgegen den uns bekannten Aufwärm- und Kräftigungsübungen variierten die traditionellen Methoden mal mehr, mal weniger. Früh war deutlich, dass sich Shorin Ryu und Shotokan Ryu deutlich voneinander unterscheiden. Das dem Shaolin (sogar wörtlich) nähere Shorin Ryu zeigt Bewegungen, die nicht durch den Sport oder den Wettkampf verändert wurden um Disziplinen zu entsprechen. Auch die Stände sind oft höher. Im starken Gegensatz zur heutigen Ordnung im Karate gab es früher weder Karategi noch ein einheitliches Prüfungsprogramm. Die Meister berücksichtigten die Stärken und Schwächen ihrer wenigen Schüler und passten die Ausbildung an den jeweiligen Charakter an.
„Eigentlich ist Karate leicht zu erlernen“, „Karate ist 99% Entspannung und 1% Anspannung“ und „Karate ist Selbstverteidung“, waren wichtige Aussagen Measaras (Dies sind keine Zitate, sondern sinngemäße Formulierungen). Die Übungen und theoretischen Inhalte, die Kyoshi Measara uns mitbrachte, führten uns auf den Weg zu diesen Aussagen.
Auf dem Programm standen neben Theorie, (Karate-)Geschichte, Bunkai und Kata. Wir starteten mit der Pinan Shodan, die im Shotokan als Heian Nidan bekannt ist. Die von Measara-Kyoshi gezeigte Bunkai war sehr eingängig und uns stand großzügig viel Zeit zu um diese zu verinnerlichen. Am Ende jeder Übung bedankten wir uns mit „arigatou gozaimasu“, was laut Kyoshi Measara neben „onegai shimasu“ die wichtigste Lektion des Tages war - der Gegenseitige Dank mit und an dem Gegenüber zu wachsen.
Für viele war die ausgiebige Verwendung des Shikodachi, der ähnlich zu dem Kibadachi ist, sicherlich neu und auch die Drehbewegung auf dem Fußballen anstatt der Ferse sorgte für Gesprächsstoff. Für das okinawanische Karate mit den eher hohen Ständen sind sowohl der Kontakt der Fußballen zum Boden als auch die Hüftbewegung wichtig. Dadurch ergibt sich, dass man oft bei einem Standwechsel seinen Körperschwerpunkt nicht verlagert. Dagegen begünstigen die tiefen Stellungen des Shotokan den Einsatz der Ferse und man bewegt sich oft über weitere Strecken. Das fiel vor allem auch bei den Kihon-Übungen auf. „Übungen“ wurde hier bewusst als Wort gewählt, da dieses die direkte Übersetzung der von uns ausgeübten „Kihon Renshu“ ist. Der große Unterschied zu den uns bekannten Kihon-„Bahnen“ ist, bei denen man viele Meter vor und zurück läuft, dass man sich hier quasi nicht von der Stelle bewegt. Jede Technik oder Kombi
nation und die dazugehörigen Stände werden mehrfach wiederholt. Die Bewegung liegt aber auch hier im ganzen Körper und den ständigen Stand- und Richtungswechseln. Als Abschluss der Kihon Renshu zeigte Bachhuber-Sensei noch einige fortgeschrittene Bewegungen.
Kyoshi Measara demonstrierte zudem viele versteckte Techniken, Hebel und Angriffe auf Vitalpunkte aus diversen Kata. Besonders beleuchtet wurde noch einmal die die Pinan Sandan bevor es dann zu dem weiteren Lehrgangsthema Passai ging. Wir betrachteten mit besonderem Augenmerk die Unterschiede zwischen Bassai Dai/Sho und der Passai und übten einige Anwendungen der Passai.
Generell war die Mischung aus Demonstration von Measara-Kyoshi und Bachhuber-Sensei, die individuellen Tipps und Hinweise beim Ausführen der Übungen sehr angenehm. Sie sorgten für viel Abwechslung, wenngleich der Wechsel zwischen Warm und Kalt durch Bewegung und Theorie auf die effektive Lehrgangsdauer von über sechs Stunden durchaus an den Kräften zehrte. Die Nachfragen und Diskussionen waren stets auf höflich-freundlichem Niveau und auch kleine Späße wurden gemacht.
Die letzte Einheit bildete das Kennenlernen und Führen eines Bo oder auch Stocks jedweder Länge. Wir begannen mit der Art und Weise einen Bo zu halten und gingen über zu einfach bis zuletzt schwierigeren Bewegungs- und Griffwechselübungen. Den Großteil der letzten 90 Minuten übten wir Basis-Bo-Sequenzen, derer es einige gibt. Bis zum Ende kamen wir leider nicht, wobei das gelernte, vor allem für Anfänger, schon enorm war. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass man mit einiger Karate-Erfahrung schon viele wichtige Bewegungskenntnisse für das Führen eines Bo mitbringt und der Einstieg entsprechend flüssig verläuft. Von Kyoshi Measara wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass Bo und Karate quasi unzertrennlich sind, sich gegenseitig fördern und ergänzen.
Zum Schluss möchten wir Kyoshi Jamal Measara und auch Sensei Werner Bachhuber ein herzliches arigatou gozaimasu für das Annehmen unserer Einladung und den gemeinsamen Lehrgang ausrichten (auch dafür, dass diese ganz aus Kelheim in Bayern angereist sind). Arigatou gozaimasu ebenfalls an alle, die mitgeholfen haben diesen Lehrgang in die Wege zu leiten und zu realisieren.
Das werden wir bestimmt wiederholen.